Geschwindigkeitsbeschränkungen im Bereich von Arbeitsstellen auf der Autobahn: Zulässigkeit und Begründung
Arbeitsstellen auf Autobahnen stellen besondere Herausforderungen an die Verkehrssicherheit und den Verkehrsfluss dar. Aufgrund der hohen Geschwindigkeiten und des dichten Verkehrs sind strenge Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. Eine der zentralen Maßnahmen ist die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen im Bereich von Arbeitsstellen. Wie werden Geschwindigkeitsbeschränkungen im Bereich von Arbeitsstellen auf der Autobahn begründet?
Geschwindigkeitsbeschränkungen im Bereich von Arbeitsstellen auf der Autobahn müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Sie müssen den Vorgaben der Richtlinien für die verkehrsrechtliche Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen entsprechen und mit dem Vorliegen einer qualifizierten Gefahrenlage begründet werden.
Dieser Artikel beleuchtet die Zulässigkeit und die Begründung für Geschwindigkeitsbeschränkungen im Bereich von Arbeitsstellen auf der Autobahn – darunter:
- Geeignetheit beabsichtigter Geschwindigkeitsbeschränkungen
- Regelgeschwindigkeit im Bereich einer Arbeitsstelle auf der Autobahn
- Zulässigkeit von Tempo 100 im Bereich einer Arbeitsstelle auf der Autobahn
- Prüfung von Geschwindigkeitsbeschränkungen anhand besonderer örtlicher Umstände
- Voraussetzungen für die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 40 km/h im Bereich einer Arbeitsstelle auf der Autobahn
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Verhältnismäßigkeit
Jede Geschwindigkeitsbeschränkung im Bereich einer Arbeitsstelle bedarf einer Einzelfallbetrachtung.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass jede verkehrsrechtliche Maßnahme anhand der folgenden Kriterien begründet wird:
- Legitimer Zweck
- Geeignetheit
- Erforderlichkeit
- Angemessenheit
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verteidigt die individuellen Rechte und Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger (BVerfG, Urteil vom 22.05.1990 – 2 BvG 1/88, Randnummer 117).
Er wird im Grundgesetz nicht direkt benannt, fußt aber auf dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 1 Absatz 3, Artikel 20 Absatz 3 GG).
Dies wird auch in den Richtlinien für die verkehrsrechtliche Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA) deutlich: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt, dass die zur Erreichung des Ziels am wenigsten belastende – aber noch wirksame – Eingriffsmöglichkeit genutzt wird (Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 3 RSA 21).
Demnach ist die Maßnahme mit dem geringstmöglichen Eingriff zu wählen.
Welche Fragen ergeben sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit?
Legitimer Zweck
Ist die beabsichtigte Geschwindigkeitsbeschränkung im Bereich Arbeitsstelle auf der Autobahn auf das Allgemeinwohl gerichtet und erlaubt?
Geschwindigkeitsbeschränkungen sind auf das Allgemeinwohl gerichtet, da sie die Gewährleistung der Sicherheit des allgemeinen Verkehrs verfolgen.
Straßenverkehrsbehörden können zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken (§ 45 Absatz 1 Nummer 1 StVO).
Ferner können Straßenbaubehörden – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – zur Durchführung von Straßenbauarbeiten und zur Verhütung von außerordentlichen Schäden an der Straße, die durch deren baulichen Zustand bedingt sind, Verkehrsbeschränkungen anordnen (§ 45 Absatz 2 StVO).
Sowohl Straßenverkehrsbehörden als auch Straßenbaubehörden ist es also in unter bestimmten Umständen erlaubt, Geschwindigkeitsbeschränkungen im Bereich Arbeitsstellen auf der Autobahn einzurichten.
Geeignetheit
Ist die beabsichtigte Geschwindigkeitsbeschränkung im Bereich der Arbeitsstelle auf der Autobahn geeignet, den Verkehr sicher an der Arbeitsstelle vorbeizuführen?
Geschwindigkeitsbeschränkungen (Zeichen 274) können zum Beispiel wegen zu geringer Fahrstreifenbreite, ungünstiger Kurvenführung, mangelnder Übersichtlichkeit oder unzureichenden Zustands der Fahrbahndecke angeordnet werden (Teil A Kapitel 2.5 Absatz 14 RSA 21).
Ungünstiger Kurvenführung kann beispielsweise bei Fahrstreifenwechseln auftreten (Teil A Kapitel 2.5 Absatz 14 RSA 21).
Arbeiten auf dem Seitenstreifen ohne Behinderung für den Verkehrsbereich begründen Geschwindigkeitsbeschränkungen jedoch nicht (Teil A Kapitel 2.5 Absatz 14 RSA 21).
Erforderlichkeit
Steht anstatt der beabsichtigten Geschwindigkeitsbeschränkung im Bereich der Arbeitsstelle auf der Autobahn kein milderes, jedoch gleich geeignetes Mittel zur Verfügung?
Auch die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) fordert von Verwaltungsbehörden, dass Verkehrszeichen nur dort angeordnet werden dürfen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist (§ 45 Absatz 9 Satz 1 StVO).
Geschwindigkeitsbeschränkungen werden unter anderem mit Zeichen 274 angeordnet (Anlage 2 laufende Nummer 49 StVO).
Zeichen 274 darf im Bereich einer Arbeitsstelle auf der Autobahn folglich nur aufgestellt werden, wenn es aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist.
Wenn eine Geschwindigkeitsbeschränkung das einzige geeignete Mittel darstellt, welche Geschwindigkeitsbeschränkung ist im Bereich der Arbeitsstelle auf der Autobahn erforderlich?
Angemessenheit
Stehen die Vorteile für die Allgemeinheit am verkehrssicheren Passieren der Arbeitsstelle nicht außer Verhältnis zu den Nachteilen des Einzelnen an der Befolgung der beabsichtigten Geschwindigkeitsbeschränkung?
Qualifizierte Gefahrenlage
Bei Beschränkungen des fließenden Verkehrs ist eine qualifizierte Gefahrenlage nachzuweisen.
Damit ist gemeint, dass zur Anordnung einer Beschränkung des fließenden Verkehrs eine erhebliche Gefahrenlage aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse bestehen muss (§ 45 Absatz 9 Satz 3 StVO).
Geschwindigkeitsbeschränkungen stellen Beschränkungen des fließenden Verkehrs dar.
Für eine Geschwindigkeitsbeschränkung im Bereich einer Arbeitsstelle auf der Autobahn muss demnach eine qualifizierte Gefahrenlage vorliegen.
Vorgaben der RSA
Auf die besonderen Verhältnisse des Verkehrs auf Autobahnen abgestimmte, ergänzende Regelungen und Festlegungen sind in Teil D den Richtlinien für die verkehrsrechtliche Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA) zusammengestellt (Teil D Kapitel 1 Absatz 2 RSA 21).
Tempo 100 im Bereich einer Arbeitsstelle auf der Autobahn
Eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h ist im Bereich einer Arbeitsstelle auf der Autobahn unter folgenden Voraussetzungen fahrstreifenbezogen zu prüfen (Teil D Kapitel 2.3.2 Absatz 5 RSA 21):
- Breite der linken Behelfsfahrstreifen mindestens je 3,00 m
- Breite des rechten Behelfsfahrstreifens mindestens 3,50 m
- Abtrennung durch dauerhafte Schutzeinrichtungen oder temporäre Schutzeinrichtungen auf der Seite zur Arbeitsstelle
Dauerhafte Schutzeinrichtungen und temporäre Schutzeinrichtungen werden auch Fahrzeugrückhaltesysteme genannt (FRS).
Tempo 80 im Bereich einer Arbeitsstelle auf der Autobahn
Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt im Bereich von Arbeitsstellen auf der Autobahn in der Regel 80 km/h (Teil D Kapitel 2.3.2 Absatz 1 RSA 21).
Dies gilt auch für Verschwenkungsbereiche, Einziehungsbereiche und Überleitungen auf Richtungsfahrbahnen. Überleitungen auf Richtungsfahrbahnen werden auch Mittelstreifenüberfahrten genannt (Teil D Kapitel 2.3.2 Absatz 1 RSA 21).
Tempo 60 im Bereich einer Arbeitsstelle auf der Autobahn
In folgenden Fällen sollte geprüft werden, ob eine weitere Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erforderlich ist (Teil D Kapitel 2.3.2 Absatz 2 RSA 21):
- Breite des Fahrstreifens für Lastkraftwagen weniger als 3,25 m
- Erschwerte Bedingungen im Bereich von Einfahrten und Ausfahrten
- Schlechter Zustand der Fahrbahndecke
- Besondere Gefahren im Arbeitsstellenbereich
- Ungünstige Verhältnisse in der Überfahrt
Dabei sollte auch geprüft werden, ob die weitere Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nur für bestimmte Fahrzeugarten, eingeschränkte zeitliche Geltungsbereiche, Streckenabschnitte oder einzelne Fahrstreifen betreffen soll (Teil D Kapitel 2.3.2 Absatz 2 RSA 21).
Besondere Gefahren im Arbeitsstellenbereich können ungünstige Situationen an Baustellenzufahrten, Abgrabungen mit Absturzgefahr unmittelbar am Rand der Fahrbahn oder Auffahrten auf Behelfsbrücken sein (Teil D Kapitel 2.3.2 Absatz 2 RSA 21).
Insbesondere bei ungünstigen Verhältnissen in der Überfahrt sollte geprüft werden, ob die zulässige Höchstgeschwindigkeit lediglich für einzelne Fahrzeugarten erforderlich ist oder Gefahrzeichen ausreichend sind (Teil D Kapitel 2.3.2 Absatz 2 RSA 21).
Tempo 40 im Bereich einer Arbeitsstelle auf der Autobahn
Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 40 km/h können auf Autobahnen zu einer erhöhten Gefahr von Auffahrunfällen führen (Teil D Kapitel 2.3.2 Absatz 4 RSA 21).
Die Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 40 km/h bedarf daher einer sorgfältigen Prüfung anhand des örtlichen Einzelfalls (Teil D Kapitel 2.3.2 Absatz 4 RSA 21).
Sie ist beispielsweise an einer Auffahrt auf eine Behelfsbrücke oder einer Abgrabung mit Absturzgefahr unmittelbar am Rand der Fahrbahn denkbar (Teil D Kapitel 2.3.2 Absatz 4 RSA 21).
Fazit
Geschwindigkeitsbeschränkungen im Bereich von Arbeitsstellen auf Autobahnen sind nicht nur zulässig, sondern auch dringend erforderlich, um die Sicherheit der Arbeiter und Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten.
Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt im Bereich von Arbeitsstellen auf der Autobahn in der Regel 80 km/h.
Tempo 100 ist im Bereich von Arbeitsstellen auf der Autobahn zulässig, sofern die Breite der linken Behelfsfahrstreifen mindestens je 3,00 m und die Breite des rechten Behelfsfahrstreifens mindestens 3,50 m betragen sowie die Arbeitsstelle vom Verkehrsbereich mit Fahrzeugrückhaltesystemen abgetrennt ist.
Die Prüfgeschwindigkeiten für Verkehrseinrichtungen und Fahrzeugrückhaltesysteme sind für die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h im Bereich von Arbeitsstellen auf der Autobahn verkehrsrechtlich nicht maßgeblich.
Eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h im Bereich einer Arbeitsstelle auf einer Autobahn erzeugt weniger Stauwellen im Bereich vor der Arbeitsstelle wie geringere Geschwindigkeitsbeschränkungen.
Geringere zulässige Höchstgeschwindigkeiten im Bereich von Arbeitsstellen auf der Autobahn bedürfen einer sorgfältigen Prüfung.
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