Erforderliche Fachkenntnisse zur Arbeitsstellensicherung an Straßen [MVAS 99]: Bedeutung, Inhalte und Gültigkeit
Die Sicherheit von Arbeitsstellen an Straßen ist ein zentraler Aspekt, um sowohl die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer als auch der Sicherheit der Personen, die auf der Arbeitsstelle tätig sind, zu gewährleisten. Das “Merkblatt über Rahmenbedingungen für erforderliche Fachkenntnisse zur Verkehrssicherung an Arbeitsstellen an Straßen” (MVAS) leistet einen Beitrag notwendige Fachkenntnisse in Hinblick auf die Arbeitsstellensicherheit an Straßen unterschiedlichen Beteiligten zu vermitteln. Schulungsleitern hilft das MVAS bei der Vorbereitung von Schulungskursen. Welche Inhalte können nach dem MVAS geschult werden?
Schulungen nach dem MVAS können je nach Schulungsgruppe rechtliche und fachtechnische Kenntnisse vermitteln. Dabei können Schulungen nach dem MVAS Schulungsblöcke aus den Bereichen Straßenrecht, Straßenverkehrsrecht, Zivilrecht, Strafrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht, verkehrstechnische Grundkenntnisse, bautechnische Grundkenntnisse, Elektrotechnik oder Gerätetechnik umfassen.
Dieser Artikel beleuchtet die Bedeutung, die wesentlichen Inhalte und die Gültigkeit von Nachweisen nach dem MVAS. Dabei werden folgende Fragen beantwortet:
- Wann ist ein Nachweis nach dem MVAS notwendig?
- Werden Schulungen nach dem MVAS an die Teilnehmer individuell angepasst?
- Können Auftraggeber Schulungsnachweise nach dem MVAS einfordern?
- Welche Rechtsgebiete sind im MVAS nicht enthalten?
- Wie lange ist ein Nachweis nach dem MVAS gültig?
Los geht’s!
Bedeutung des MVAS
Das MVAS soll einen Beitrag dazu leisten, dass den Beteiligten die sachlichen und fachlichen Kenntnisse vermittelt werden, um Arbeitsstellen an Straßen unter Beachtung der rechtlichen und technischen Anforderungen sicher einzurichten (Kapitel 1 MVAS 99).
Bei der Abwicklung von Arbeitsstellen sind nach dem MVAS folgende Gruppen beteiligt (Kapitel 1 MVAS 99): Anordnende Behörden, auftraggebende Behörden, auftraggebende Unternehmen, beauftragte Unternehmen.
Die oben genannten Gruppen sind in unterschiedlichem Umfang von der Einrichtung einer Arbeitsstelle betroffen (Kapitel 1 MVAS 99).
Aus diesem Grund enthält das MVAS Schulungsprogramme für die unterschiedlichen Gruppen.
Mit anderen Worten: Ein Verantwortlicher für die Verkehrssicherung, wie ein Bauunternehmer, wird eine Schulung nach dem MVAS durchlaufen, welche auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Im Gegensatz dazu wird eine anordnende Behörde, wie eine Straßenverkehrsbehörde, widerrum eine auf sie abgestimmte Schulung nach dem MVAS absolvieren. Am Ende werden beide Schulungsgruppen jedoch einen Nachweis nach dem MVAS erhalten. Daher sollte meiner Meinung nach auf dem Nachweis nach dem MVAS erkennbar sein, welche Schulungsgruppe und welche Inhalte geschult wurden.
Um die unterschiedlichen Beteiligten entsprechend ihrer Tätigkeit optimal zu schulen, enthält das MVAS Schulungsprogramme für folgende Schulungsgruppen (Kapitel 1 MVAS 99; Anhang 2 MVAS 99):
- Anordnende Behörden (Straßenverkehrsbehörden, Straßenbaubehörden)
- Auftraggebende Straßenbaubehörden oder von den Straßenbaubehörden beauftragte Unternehmen (Ingenieurbüros)
- Auftraggebende Dritte (Versorgungsunternehmen)
- Auftragnehmer für die Verkehrssicherung (Verkehrssicherungsunternehmen)
- Verantwortliche für die Verkehrssicherung nach RSA
- Auftraggeber (B, C), Auftragnehmer (D) und Verantwortliche für die Verkehrssicherung (E), die sich mit Schutzeinrichtungen befassen
Erforderlichkeit des Nachweises
Anordnende Behörden
Verantwortlicher für die Verkehrssicherung
Verantwortliche für die Verkehrssicherung müssen die erforderlichen Fachkenntnisse nach dem MVAS nachweisen (Teil A Kapitel 1.4 Absatz 3 RSA 21).
Die anordnende Behörde kann bei Arbeiten mit geringen verkehrlichen Auswirkungen Ausnahmen zulassen (Teil A Kapitel 1.4 Absatz 3 RSA 21).
Das bedeutet, dass die anordnende Behörde bei Arbeiten mit geringen verkehrlichen Auswirkungen entscheiden kann, bei einem Verantwortlichen für die Verkehrssicherung auf einen Nachweis der erforderlichen Fachkenntnisse nach dem MVAS zu verzichten.
Die Behörde soll die Benennung eines Vertreters mit gleichen Voraussetzungen fordern (Teil A Kapitel 1.4 Absatz 3 RSA 21).
Ein Vertreter des Verantwortlichen für die Verkehrssicherung muss demnach ebenfalls die erforderlichen Fachkenntnisse nach dem MVAS nachweisen.
Bei Arbeiten mit geringen verkehrlichen Auswirkungen kann beim Vertreter des Verantwortlichen für die Verkehrssicherung ebenfalls vom Nachweis der erforderlichen Fachkenntnisse nach dem MVAS abgesehen werden.
Verantwortlicher für Signalanlagen
Auch Verantwortliche, die für den Betrieb und die Störungsbeseitigung von Signalanlagen während und nach der Arbeitszeit zuständig sind, müssen die erforderlichen Fachkenntnisse nach dem MVAS nachweisen (Teil A Kapitel 1.4 Absatz 3 RSA 21).
Bei Arbeiten mit geringen verkehrlichen Auswirkungen kann die anordnende Behörde Ausnahmen von der Nachweispflicht zulassen (Teil A Kapitel 1.4 Absatz 3 RSA 21).
Die anordnende Behörde kann demnach davon absehen, sich für den Verantwortlichen für den Betrieb und die Störungsbeseitigung von Signalanlagen während und nach der Arbeitszeit einen Nachweis der erforderlichen Fachkenntnisse nach dem MVAS vorlegen zu lassen.
Für den Betrieb und die Störungsbeseitigung von Signalanlagen während und nach der Arbeitszeit soll die Behörde die Benennung eines Vertreters mit gleichen Voraussetzungen fordern (Teil A Kapitel 1.4 Absatz 3 RSA 21).
Folglich muss auch der Vertreter des Verantwortlichen für den Betrieb und die Störungsbeseitigung von Signalanlagen nachweisen, dass er die erforderlichen Fachkenntnisse nach dem MVAS besitzt.
Nur bei Arbeiten mit geringen verkehrlichen Auswirkungen kann beim Vertreter des Verantwortlichen für den Betrieb und die Störungsbeseitigung von Signalanlagen vom Nachweis der erforderlichen Fachkenntnisse nach dem MVAS abgesehen werden.
Auftraggeber
Auftraggebende Straßenbaubehörden, von den Straßenbaubehörden beauftragte Unternehmen oder auftraggebende Dritte müssen für Bauarbeiten jeglicher Art eine vollständige und detaillierte Leistungsbeschreibung erstellen (Kapitel 4.1 Absatz 2 ZTV-SA 97; Kapitel 0 ATV DIN 18299).
Potenzielle Auftragnehmer geben dann auf Grundlage der Leistungsbeschreibung ein Gebot ab, um den Bauauftrag vom Auftraggeber zu erhalten.
Nach den “Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Sicherungsarbeiten an Arbeitsstellen an Straßen” (ZTV-SA) und dem “Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau Nummer 34/1997” des Bundesministeriums für Verkehr sollten Auftraggeber mit dem Angebot vom Bieter Nachweise für die Eignung und Qualifikation des benannten Verantwortlichen für die Sicherungsarbeiten an Arbeitsstellen verlangen (Kapitel 4.2 Absatz 9 ZTV-SA 97; ARS Nummer 34/1997, VkBl 1997 Seite 794).
Die Schulungsprogramme des MVAS sollen als Nachweis für die Eignung und Qualifizierung der Verantwortlichen für die Verkehrssicherung nach den ZTV-SA dienen (Kapitel 1 MVAS 99).
Schulungsprogramme
Die oben genannten Schulungsgruppen müssen in unterschiedlichem Umfang über die rechtlichen Vorgaben der Arbeitsstellensicherheit an Straßen geschult werden (Kapitel 2 MVAS 99).
Der Schulungsleiter muss die vorgetragenen Themenbereiche auf die besonderen Bedürfnisse der betreffenden Schulungsgruppe abstimmen (Kapitel 2 MVAS 99).
Gestaltung des individuellen Schulungsprogramms anhand von Schulungsblöcken sowie die zeitliche Inanspruchnahme jedes einzelnen Schulungsblockes kann dem MVAS entnommen werden (Kapitel 2 MVAS 99).
Rechtliche Kenntnisse
Die Auswahl der Schulungsblöcke richtet sich nach der zu schulenden Schulungsgruppe. Zu den rechtlichen Schulungsblöcken zählen unter anderem folgende Rechtsgebiete (Kapitel 3 MVAS 99):
- Straßenrecht
- Straßenverkehrsrecht
- Zivilrecht
- Strafrecht
- Ordnungswidrigkeitenrecht
Straßenrecht
Im Bereich des Straßenrechts erhalten Schulungsteilnehmer im Zuge von Schulungen nach dem MVAS einen Überblick über die Straßengesetze des Bundes und des entsprechenden Landes (Kapitel 3.1 MVAS 99).
Die Straßengesetze regeln, wie der Bau und die Unterhaltung von Straßen zu erfolgen hat. Ferner geben sie Auskunft über die Einteilung der Straßen sowie zur Organisation der Straßenbauverwaltung (Kapitel 3.1 MVAS 99).
Straßenverkehrsrecht
Das Straßenverkehrsrecht befasst sich hingegen mit der Abwicklung des Straßenverkehrs (Kapitel 3.1 MVAS 99).
Im Rahmen von Schulungen nach den Vorgaben des MVAS werden Schulungsteilnehmer hinsichtlich des Straßenverkehrsrechts unter anderem die Vorgaben der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und der Richtlinien für die verkehrsrechtliche Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA) vermittelt (Kapitel 3.1 MVAS 99).
Zivilrecht
Das Zivilrecht befasst sich mit der Rechtsbeziehung zwischen privater Person und juristischer Person (Kapitel 3.2 MVAS 99).
Schulungsleiter erläutern in Bezug auf das Zivilrecht nach den Vorgaben des MVAS unter anderem, wer bei Verletzung der Verkehrssicherungspflicht haftet (Kapitel 3.2 MVAS 99).
Unter das Zivilrecht fällt auch das Vertragsrecht. Hier lernen Schulungsteilnehmer im Zuge von Schulungen nach dem MVAS die Grundzüge des Schuldrechts inklusive der Bedeutung des Werkvertrags kennen (Kapitel 3.2 MVAS 99).
Werkverträge regeln die Rechte und Pflichten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (Kapitel 3.2 MVAS 99).
Strafrecht
Das MVAS enthält auch Schulungsblöcke zur Frage, welche strafrechtlichen Konsequenzen bei unsachgemäßer Absicherung von Arbeitsstellen drohen (Kapitel 3.3 MVAS 99).
Schulungen nach dem MVAS können demnach auch Erläuterungen zu den Straftatbeständen der fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen Körperverletzung und der Baugefährdung umfassen (Kapitel 3.3 MVAS 99).
Ordnungswidrigkeitenrecht
Missachtet ein Verantwortlicher für die Verkehrssicherung Anordnungen der Straßenbaubehörde oder Straßenverkehrsbehörde, so muss mit Bußgeldern gerechnet werden (Kapitel 3.3 MVAS 99).
Bußgelder werden von den anordnenden Behörden verfügt (Kapitel 3.3 MVAS 99).
Sie werden verfügt, wenn ein Mangel oder mehrere Mängel bei der Absicherung einer Arbeitsstelle vorliegen. Daraus ergibt sich, dass Bußgelder auf ein Vorkommnis in der Vergangenheit gerichtet sind.
Dennoch sollen Bußgelder beim Verantwortlichen für die Verkehrssicherung auch eine Verhaltensänderung für die Zukunft herbeiführen.
Im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts können anordnende Behörden jedoch immer erst dann einschreiten, wenn bereits ein Mangel oder mehrere Mängel aufgetreten sind.
Verwaltungsbehörden werden folglich zusätzlich zur Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens den Verantwortlichen für die Verkehrssicherung auffordern, den Mangel oder die Mängel zu beseitigen.
Bonus: Wichtige Rechtsgebiete außerhalb des MVAS
Um ein bestimmtes Verhalten beim Verantwortlichen für die Verkehrssicherung zu erwirken, können anordnende Behörden zudem als ordnungsrechtliche Maßnahmen zu Zwangsgeldern oder Ersatzvornahmen greifen.
Zwangsgelder und Ersatzvornahmen fallen unter Maßnahmen des Verwaltungszwangs.
Üblicherweise werden Zwangsgelder oder Ersatzvornahmen angedroht, bevor sie vollstreckt werden.
Die Androhung eines Zwangsgeldes und die Androhung der Ersatzvornahme sind ordnungsrechtliche Maßnahmen, die auf die Zukunft gerichtet sind.
Die Schulung von Maßnahmen des Verwaltungszwangs für anordnende Behörden werden vom MVAS nicht benannt.
Meiner Meinung nach sollten Schulungen zur Arbeitsstellensicherheit an Straßen für anordnende Behörden jedoch Maßnahmen des Verwaltungszwangs beinhalten, damit Verwaltungsbehörden auch wissen, wie sie bei Verantwortlichen für die Verkehrssicherung Verhaltensänderungen für die Zukunft erwirken können.
Fachtechnische Kenntnisse
Zu den fachtechnischen Kenntnissen, die im Rahmen von Schulungen nach dem MVAS vermittelt werden können, zählen verkehrstechnische Grundkenntnisse, bautechnische Grundkenntnisse, Elektrotechnik und Gerätetechnik.
Gültigkeit des Nachweises nach dem MVAS
Nachweise nach dem MVAS sind unbefristet gültig.
Dilemma der Straßenverkehrsbehörden
Für Straßenverkehrsbehörden besteht als anordnende Behörde derzeit keine Rechtsgrundlage lediglich bestimmte Nachweise nach dem MVAS zu akzeptieren.
Das liegt daran, dass nach den Richtlinien für die verkehrsrechtliche Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA) Verantwortliche für die Verkehrssicherung und Verantwortliche für Signalanlagen lediglich die erforderlichen Fachkenntnisse nach dem “Merkblatt über Rahmenbedingungen für erforderliche Fachkenntnisse zur Verkehrssicherung an Arbeitsstellen an Straßen” (MVAS) nachweisen müssen.
In den RSA wird nicht näher beschrieben, wann die erforderlichen Fachkenntnisse nach dem MVAS erworben sein müssen.
Weiterhin kann die Straßenverkehrsbehörde nicht verlangen, dass Verantwortliche für die Verkehrssicherung oder Verantwortliche für Signalanlagen einen Nachweis nach dem MVAS erbringen, welcher beispielsweise eine Schulung nach RSA 21 bestätigt.
Grund hierfür ist, dass weder die RSA, noch die MVAS Schulungsblöcke nach RSA 21 fordern.
Trotz dessen, dass Straßenverkehrsbehörden keine bestimmten Nachweise nach dem MVAS von Verantwortlichen für die Verkehrssicherung und Verantwortlichen für Signalanlagen einfordern können, sollte es meiner Ansicht nach im Eigeninteresse eines jeden Verantwortlichen sein an einer Schulung nach dem MVAS teilzunehmen, die die aktuelle Rechtslage abbildet.
Für Verantwortliche für die Verkehrssicherung und für Verantwortliche für Signalanlagen ohne eine Schulung nach dem MVAS, welche die aktuelle Rechtslage abbildet, ist die Wahrscheinlichkeit ansonsten höher die Verkehrssicherungspflicht zu verletzen sowie Sachschäden oder Personenschäden zu verursachen.
Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kann zivilrechtliche Ansprüche, wie zum Beispiel Schadenersatz, begründen oder strafrechtliche Konsequenzen, wie sie sich beispielsweise aus dem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr ergeben, nach sich ziehen.
Möglichkeiten der Auftraggeber
Auftraggeber haben die Möglichkeit im Rahmen des Vertragsrechts aktuelle Schulungsnachweise nach dem MVAS einzufordern.
Dabei muss der Auftraggeber selbst bestimmen, welche Nachweise nach dem MVAS er akzeptiert.
Er kann beispielsweise nur Nachweise nach dem MVAS akzeptieren, die nicht älter als fünf Jahre sind. Gleichzeitig hat er ebenfalls die Möglichkeit nur Schulungsnachweise nach dem MVAS zu akzeptieren, die Schulungsblöcke nach RSA 21 enthalten.
Ausblick
Derzeit wird das MVAS überarbeitet.
In die neue MVAS sollen die aktuellen technischen Neuerungen einfließen. Die inhaltliche Fertigstellung der neuen MVAS wird Ende 2024 erwartet.
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