6 Gefahren, die vom Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” ausgehen
Gefahrzeichen mahnen zu erhöhter Aufmerksamkeit und zur Verringerung der Geschwindigkeit im Hinblick auf eine Gefahrsituation. Wovor warnt das Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” (Zeichen 112)?
Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” (Zeichen 112) warnt vor Kabelbrücken, Wurzelaufbrüchen, Querfräskanten, Bodenschwellen, Vertiefungen sowie abgefrästem Asphaltbelag.
Eine unebene Fahrbahn birgt zahlreiche Risiken, die je nach Geschwindigkeit, Fahrzeugtyp und Witterung unterschiedlich schwerwiegend ausfallen können. Dieser Artikel beleuchtet die Gefahren, die vom Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” ausgehen und erläutert, wie die Rechtsprechung zur Aufstellung des Verkehrszeichens “Unebene Fahrbahn” steht. Dabei werden folgende Fragen beantwortet:
- Wie wird vor einer Gefahr durch einen Wasser führenden Schlauch ausreichend gewarnt?
- Wie sind Querfräskanten abzusichern?
- An wen richtet sich das Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn”?
- Wie wird vor abgefrästem Asphaltbelag gewarnt?
- Und viele mehr …
Bereit? Los geht’s!
Kabelbrücke
Das Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” warnt Radfahrer auf landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Wegen vor quer zur Fahrtrichtung verlegten Kabelbrücken (OLG Frankfurt, Urteil vom 26.05.2017 – 13 U 21/14, Randnummer 43).
Im Falle des OLG Frankfurt war das Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” in einem Abstand von 10 m vor der Kabelbrücke aufgestellt (OLG Frankfurt, Urteil vom 26.05.2017 – 13 U 21/14, Randnummer 8).
Einer Gefahr durch einen Wasser führenden Schlauch, der quer über eine von Kraftfahrzeugen genutzte Fahrbahn gelegt wurde, kann jedoch laut Urteil des OLG Saarbrücken nicht alleine durch Aufstellung des Verkehrszeichens “Unebene Fahrbahn” begegnet werden (OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.06.2014 – 4 U 118/13, Randnummern 29, 32).
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Fall des OLG Saarbrücken seitens des Verkehrssicherungspflichten kein Beweis dafür erbracht wurde, dass der Schaden bei Einhaltung einer mit dem Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” konformen Fahrweise nicht eingetreten wäre (OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.06.2014 – 4 U 118/13, Randnummer 31).
Durch die Aufstellung des Verkehrszeichens “Unebene Fahrbahn” (Zeichen 112) wird ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Der Verkehr kann dann darauf vertrauen, dass eine vorsichtige Fahrweise geeignet ist, den aus der Baustelle resultierenden Gefahren nachhaltig zu begegnen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.06.2014 – 4 U 118/13, Randnummer 38).
Wurzelaufbruch
Wurzelaufbrüche quer durch den Radweg werden durch Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” gekennzeichnet (LG Aachen, Urteil vom 16.09.2014 – 12 O 12/14, Randnummern 5, 22).
Das Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” war im Falle des LG Aachen am Radweg in etwa 500 m bis 1000 m Entfernung zur Gefahrstelle aufgestellt (LG Aachen, Urteil vom 16.09.2014 – 12 O 12/14, Randnummer 22).
Querfräskanten
Für Querfräskanten, die für den Verkehr freigegeben werden, ordnen einige Straßenverkehrsbehörden an, dass die Kanten anzukeilen und aus beiden Fahrtrichtungen in angemessener Entfernung mit Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” zu beschildern sind.
Im Gegensatz dazu sind nach Ansicht des OLG Brandenburg quer über die Straße reichende Rinnen durch fest verdichtetes Material zu verfüllen (OLG Brandenburg, Urteil vom 08.08.1995 – 2 U 32/95, VersR 1996, 517).
Sofern die Verfüllung durch fest verdichtetes Material nicht möglich ist, sind Rinnen mit einer Metallplatte oder ähnlichem abzudecken (OLG Brandenburg, Urteil vom 08.08.1995 – 2 U 32/95, VersR 1996, 517).
Bodenschwelle
Vor der Gefahr durch Bodenschwellen von 50 cm Breite und einer Scheitelhöhe von 6 cm kann durch Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” gewarnt werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.06.1996 – 18 U 206/95).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” nicht nur an Kraftfahrzeuge, sondern im Allgemeinen an alle Verkehrsteilnehmer – auch Radfahrer – richten (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.06.1996 – 18 U 206/95).
Radfahrer können demnach ebenfalls durch Aufstellung des Verkehrszeichens “Unebene Fahrbahn” vor der Gefahr durch Bodenschwellen von 50 cm Breite und einer Scheitelhöhe von 6 cm gewarnt werden.
Bei drei hintereinanderliegenden Bodenwellen, bei der die letzte einen “Sprungschanzeneffekt” aufweist, ist Aufstellung des Verkehrszeichens “Unebene Fahrbahn” nicht ausreichend, um vor der Gefahr zu warnen. Stattdessen ist vor der Gefahr zusätzlich durch eine Geschwindigkeitsbeschränkung zu warnen (OLG Schleswig, Urteil vom 12.12.1979 – 9 U 155/78, VersR 1980, 1150).
In einem Fall, den das OLG Koblenz entscheiden musste, wurden die notwendigen Maßnahmen zur Absicherung einer Aufpflasterung mit einer Breite von 4,46 m, einer Höhe von ca. 0,10 m und einer Kronentiefe von ca. 0,85 m thematisiert (OLG Koblenz, Urteil vom 28.09.1999 – 1 U 406/98, MDR 2000, 451).
Das OLG Köln hatte über die Verkehrssicherungspflicht einer Aufpflasterung zu entscheiden, die ca. 1,00 m vor dem Straßenrand eine Höhe zwischen 0,11 m und 0,12 m erreicht (OLG Köln, Urteil vom 02.04.1992 – 7 U 192/91).
Das OLG Koblenz und das OLG Köln entschieden, dass das Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” ohne nähere Hinweise auf Art und Ausmaß der “Unebenheit” nicht ausreicht, den Fahrzeugführer vor der von der betreffenden Aufpflasterung ausgehenden Gefahr hinreichend zu warnen (OLG Koblenz, Urteil vom 28.09.1999 – 1 U 406/98, MDR 2000, 451; OLG Köln, Urteil vom 02.04.1992 – 7 U 192/91).
Vertiefungen
Vor der Gefahr durch Vertiefungen mit einer Breite von 50 cm und einer Tiefe von 4 cm in einer Baustelle auf der Fahrbahn im Bereich von zwei Kanaldeckeln unter Freilegung der scharfkantigen Deckelseiten ist durch Warnschilder zu warnen (OLG Koblenz, Urteil vom 28.01.2013 – 12 U 66/12, Randnummer 20).
Meiner Ansicht nach sollte mit Warnschildern die Aufstellung des Verkehrszeichens “Unebene Fahrbahn” gemeint sein.
Vor der Gefahr durch Vertiefungen mit einer Breite von 50 cm und einer Tiefe von 4 cm in einer Baustelle auf der Fahrbahn im Bereich von zwei Kanaldeckeln unter Freilegung der scharfkantigen Deckelseiten sollte demnach mit Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” gewarnt werden.
Alternativ ist der Gefahr durch Sperrung des betreffenden Bereichs zu begegnen (OLG Koblenz, Urteil vom 28.01.2013 – 12 U 66/12, Randnummer 20).
Abgefräster Asphaltbelag
Bei abgefrästem Asphaltbelag stellen Straßenverkehrsbehörden unterschiedliche Anforderungen zur Absicherung der Gefahrstelle (OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.10.2021 – 9 U 59/19, Randnummer 44).
Laut Urteil des OLG Karlsruhe müssen Straßen nach dem Auffräsen des Asphaltbelags für den Verkehr gesperrt bleiben, wenn sie eine gewisse Zeit in einem vorläufigen Zustand belassen werden sollen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.10.2021 – 9 U 59/19, Randnummer 34).
Bei der Beurteilung, ob ein Streckenabschnitt mit abgefrästem Asphaltbelag gesperrt bleiben muss, sind auch die Belange des Radverkehrs miteinzubeziehen. Rinnen mit lockeren Steinen stellen Gefahrstellen für Radfahrer dar (OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.10.2021 – 9 U 59/19, Randnummern 31, 34).
Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass die durch Rinnen mit lockeren Steinen hervorgerufene Gefahrstelle für Radfahrer – oder für den allgemeinen Verkehr – gesperrt werden muss (OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.10.2021 – 9 U 59/19, Randnummern 34, 36).
Gleichzeitig weist das OLG Karlsruhe allerdings darauf hin, dass in dem ihr vorliegenden Fall auch nicht durch Aufstellung des Verkehrszeichens “Unebene Fahrbahn” vor der abgefrästem Asphaltbelag gewarnt wurde (OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.10.2021 – 9 U 59/19, Randnummern 35, 42).
Fazit
Das Verkehrszeichen “Unebene Fahrbahn” (Zeichen 112) dient als wichtige Warnung vor Gefahrstellen auf der Fahrbahn, jedoch zeigt die Rechtsprechung deutlich, dass seine alleinige Aufstellung oft nicht ausreicht, um Verkehrssicherungspflichten umfassend zu erfüllen.
Die Einzelfallentscheidungen der Gerichte betonen die Bedeutung einer umfassenden Gefahrenanalyse und eines abgestimmten Maßnahmenkonzepts. Insbesondere Radfahrer als besonders gefährdete Verkehrsteilnehmer müssen bei der Gefahrenabsicherung stärker berücksichtigt werden.
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