Zulässigkeit und Begründung von Vollsperrungen
Vollsperrungen im Straßenverkehr sind oft ein Ärgernis für Pendler und Anwohner, jedoch können sie notwendig sein, um die Sicherheit zu gewährleisten oder Bauarbeiten durchzuführen. Die Zulässigkeit und die Begründung von Vollsperrungen sind daher von großer Bedeutung, um das Verständnis und die Akzeptanz der Verkehrsteilnehmer zu gewinnen.
Vollsperrungen müssen sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen. Vollsperrungen sind verhältnismäßig, wenn sie die am wenigsten belastende – aber noch wirksame – Eingriffsmöglichkeit darstellen, um das angestrebte Ziel zu erreichen.
In diesem Artikel untersuchen wir die rechtlichen Grundlagen und die verschiedenen Gründe, die zu Vollsperrungen führen können. Von der Gefahrenabwehr bis hin zur Unterhaltung von Straßen: Dieser Beitrag erklärt, warum Vollsperrungen manchmal unvermeidlich sind, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Dabei werden folgende Fragen beantwortet:
- Wann sind Vollsperrungen aufgrund von zu geringer Restfahrbahnbreite erforderlich?
- Warum können die Belange des Arbeitsschutzes zu Vollsperrungen führen?
- Inwiefern sind Vollsperrungen halbseitigen Sperrungen bei der Unterhaltung von Straßen vorzuziehen?
- Inwiefern sind die Belange von Feuerwehr und Rettungsdiensten bei der Bestimmung des Ausmaßes einer Vollsperrung relevant?
- Besteht für Pendler und Anwohner ein Anspruch auf gleichbleibende Nutzung einer Straße?
- Und viele mehr …
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Abwägung
Die Einrichtung und Absicherung von Arbeitsstellen muss sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen (Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 2 RSA 21).
Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen alle staatlichen Maßnahmen verhältnismäßig sein.
Nach geltender Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verteidigt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die individuellen Rechte und Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger (BVerfG, Urteil vom 22.05.1990 – 2 BvG 1/88, Randnummer 117).
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zwar im Grundgesetz nicht explizit benannt, fußt allerdings auf dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 1 Absatz 3, Artikel 20 Absatz 3 GG).
Ob eine verkehrsrechtliche Maßnahme verhältnismäßig ist, muss die Straßenverkehrsbehörde anhand der folgenden Kriterien begründen:
- Legitimer Zweck
- Geeignetheit
- Erforderlichkeit
- Angemessenheit
Laut den Richtlinien für die verkehrsrechtliche Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen Ausgabe 2021 (RSA 21) verlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die zur Erreichung des Ziels am wenigsten belastende – aber noch wirksame – Eingriffsmöglichkeit genutzt wird (Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 3 RSA 21).
Legitimer Zweck
Der mit der staatlichen Maßnahme verfolgte Zweck muss legitim sein.
Das bedeutet, dass die staatliche Maßnahme verfassungskonform sein muss.
Verkehrsrechtliche Anordnungen müssen demnach verfassungskonform sein. Sie dürfen beispielsweise nicht den geltenden Gesetzen und Rechtsvorschriften widersprechen.
Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit, der Ordnung des Verkehrs oder zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten (§ 45 Absatz 1 Satz 1 StVO).
Bei Vollsperrungen wird die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum verboten.
Der Verkehr wird bei Vollsperrungen je nach Fallkonstellation mit oder ohne Beschilderung umgeleitet.
Darüber hinaus gilt, dass Straßenverkehrsbehörden bestimmen, wo und welche Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen anzubringen und zu entfernen sind (§ 45 Absatz 3 StVO).
Daraus folgt, dass verkehrsrechtliche Anordnungen zur Einrichtung von Vollsperrungen einen legitimen Zweck verfolgen und daher verfassungskonform sind.
Geeignetheit
Die staatliche Maßnahme muss geeignet sein, das beabsichtigte Ziel zu erreichen.
Folglich müssen verkehrsrechtliche Anordnungen geeignet sein, den verfolgten Zweck zu erreichen. Wenn durch eine Vollsperrung nicht der verfolgte Zweck erreicht wird, so ist die in diesem Zusammenhang ergangene verkehrsrechtliche Anordnung ungeeignet.
Bei Wasserversorgungsarbeiten aufgrund eines Wasserrohrbruchs kann beispielsweise die Öffnung eines Großteils der Straße erforderlich werden.
Die Einrichtung einer Vollsperrung ist geeignet, Wasserversorgungsarbeiten im Straßenraum durchzuführen.
Eine Vollsperrung stellt den härtesten Eingriff in den Verkehrsablauf dar.
Wenn die Wasserversorgungsarbeiten im Straßenraum nicht durch die Einrichtung einer Vollsperrung durchgeführt werden können, ist keine andere Maßnahme ersichtlich, durch welche der beabsichtigte Zweck – die Durchführung von Wasserversorgungsarbeiten im Straßenraum – erreicht werden kann.
Durch eine Vollsperrung wird demnach der verfolgte Zweck in der Regel erreicht.
Erforderlichkeit
Die staatliche Maßnahme muss erforderlich sein, das beabsichtigte Ziel zu erreichen.
Damit ist gemeint, dass kein anderes gleich geeignetes milderes Mittel zur Verfügung steht, um das beabsichtigte Ziel zu erreichen.
Die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) fordert, dass Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort angeordnet werden, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist (§ 45 Absatz 9 Satz 1 StVO; VwV-StVO zu den §§ 39 bis 43).
Arbeitsstellen sind so zu planen, dass ihre Dauer und räumliche Ausdehnung die Verkehrsabwicklung möglichst wenig erschweren.
Teil A Kapitel 1.2 Absatz 1 RSA 21
Wenn zum Beispiel Wasserversorgungsarbeiten statt durch Einrichtung einer Vollsperrung, durch Einrichtung einer halbseitigen Sperrung durchgeführt werden können, ist die Arbeitsstelle durch eine halbseitige Sperrung abzusichern.
Die halbseitige Sperrung stellt in diesem Fall ein gleich geeignetes milderes Mittel dar, um die Wasserversorgungsarbeiten durchzuführen.
Dies entspricht sowohl dem Grundsatz, dass Arbeitsstellen räumlich so zu planen sind, dass sie die Verkehrsabwicklung möglichst wenig erschweren, als auch, dass die Flüssigkeit des Verkehrs mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu erhalten ist (Teil A Kapitel 1.2 Absatz 1 RSA 21; VwV-StVO zu den §§ 39 bis 43).
Die Flüssigkeit des Verkehrs ist mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu erhalten.
VwV-StVO zu den §§ 39 bis 43
Eine halbseitige Sperrung erschwert die Verkehrsabwicklung weniger als eine Vollsperrung. Des Weiteren erhält eine halbseitige Sperrung die Flüssigkeit des Verkehrs. Im Gegensatz dazu wird die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken durch eine Vollsperrung verboten.
Restfahrbahnbreite
Neben der Beachtung des Grundsatzes zur möglichst geringen Erschwerung der Verkehrsabwicklung und der Erhaltung der Flüssigkeit des Verkehrs muss gleichzeitig die Verkehrssicherheit gewährleistet sein.
Die Verkehrssicherheit geht immer der Flüssigkeit des Verkehrs vor (Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 2 RSA 21; VwV-StVO zu den §§ 39 bis 43).
Die Flüssigkeit des Verkehrs wird auch als Leichtigkeit des Verkehrs bezeichnet.
Auf innerörtlichen Straßen nach Teil B RSA ist in der Regel eine Fahrstreifenbreite von mindestens 3,00 m – ausnahmsweise 2,85 m – einzuhalten (Teil B Kapitel 2.2.2 Absatz 1 RSA 21).
Auf Landstraßen nach Teil C RSA ist im Regelfall eine Fahrstreifenbreite von mindestens 3,00 m einzuhalten (Teil C Kapitel 2.2.2 Absatz 1 RSA 21).
Würde durch die Einrichtung einer halbseitigen Sperrung der Verkehrsraum so stark eingeschränkt, dass ein verkehrssicheres Passieren der Arbeitsstelle nicht mehr gewährleistet ist, so stellt die halbseitige Sperrung im Gegensatz zur Vollsperrung kein gleich geeignetes Mittel dar, um die Wasserversorgungsarbeiten durchzuführen.
Die reine Tatsache, dass eine halbseitige Sperrung das mildere Mittel zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks darstellt, reicht demnach nicht aus, da es sich nicht um ein geeignetes Mittel zur verkehrssicheren Durchführung der Arbeiten im Straßenraum handelt.
Arbeitsschutz
Bei der Einrichtung von Arbeitsstellen müssen die Sicherheitsräume zur Gewährleistung des Arbeitsschutzes berücksichtigt werden.
Die “Anforderungen an Arbeitsplätze und Verkehrswege auf Baustellen im Grenzbereich zum Straßenverkehr – Straßenbaustellen” Ausgabe 2018, zuletzt geändert GMBl 2022 – kurz ASR A5.2 22 – bestimmen die Sicherheitsräume zur Gewährleistung des Arbeitsschutzes.
Die ASR A5.2 richtet sich an die Betreiber von Arbeitsstellen.
Die Anwendung der ASR A5.2 muss daher im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung festgelegt werden.
Wenn die ASR A5.2 vertraglich festgelegt wird, muss der seitliche Sicherheitsabstand (SQ) zum fließenden Verkehr bei der Planung der Arbeitsstelle berücksichtigt werden.
Zum Schutz der Beschäftigten ist für Arbeitsplätze und Verkehrswege auf Straßenbaustellen ein seitlicher Sicherheitsabstand (SQ) zum fließenden Verkehr vorzusehen (Kapitel 4.3 Absatz 1 ASR A5.2 22).
Im Planungsverfahren ist dann eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen.
Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung wird festgestellt, wie breit der Arbeitsplatz und der seitliche Sicherheitsabstand zum fließenden Verkehr aus Sicht des Arbeitsschutzes für die sichere Durchführung der Arbeitsstelle sein muss.
Wenn die erforderliche Breite für den Sicherheitsraum und die erforderliche Breite für den Arbeitsplatz ermittelt wurde, kann auf Grundlage dieser Daten die zur Verfügung stehende Restfahrbahnbreite ermittelt werden.
Wie der seitliche Sicherheitsabstand zum fließenden Verkehr berechnet wird und welche Mindestbreiten für Arbeitsplätze und Verkehrswege auf Straßenbaustellen eingehalten werden müssen, kannst du im Artikel Leitbaken richtig aufstellen auf dieser Website nachlesen.
Auf innerörtlichen Straßen nach Teil B RSA ist in der Regel eine Fahrstreifenbreite von mindestens 3,00 m – ausnahmsweise 2,85 m – einzuhalten (Teil B Kapitel 2.2.2 Absatz 1 RSA 21).
Auf Landstraßen nach Teil C RSA ist im Regelfall eine Fahrstreifenbreite von mindestens 3,00 m einzuhalten (Teil C Kapitel 2.2.2 Absatz 1 RSA 21).
Können die oben genannten Restfahrbahnbreiten unter Berücksichtigung des Arbeitsschutzes nicht eingehalten werden, so ist die Einrichtung einer Vollsperrung erforderlich.
Das mildere Mittel der halbseitigen Sperrung wäre dann nicht gleich geeignet den Belangen des Arbeitsschutzes Rechnung zu tragen.
Unterhaltung
Eine Straße besteht in der Regel aus der Fahrbahndecke und den Tragschichten.
Fahrbahndecke und Tragschichten sind auch besser bekannt als Oberbau.
Die Fahrbahndecke ist in Deckschicht und Binderschicht unterteilt. Die Deckschicht liegt auf der Binderschicht.
Wird der Einbau der Deckschicht unter halbseitiger Sperrung durchgeführt, entstehen zwangsläufig eine oder mehrere Längsnähte.
Längsnähte werden, wenn sie sich in der Mitte der Fahrbahn befinden, auch Mittelnähte genannt.
Beim Unterhalt von Straßen müssen regelmäßig Straßenschäden in Form von Rissen in der Fahrbahn beseitigt werden.
Risse in der Fahrbahn entstehen durch unsachgemäßen Einbau oder durch witterungsbedingte Temperaturverschiebungen des Asphalts.
Witterungsbedingte Temperaturverschiebungen des Asphalts können durch eine zu niedrige Außentemperatur, einen zu kalten Untergrund oder zu feuchten Untergrund hervorgerufen werden.
Im Straßenbau stellt der Bereich der Längsnähte eine Schwachstelle dar. Im Bereich der Längsnähte kommt es häufig zur Bildung von Rissen.
Oberflächennahe Risse in der Deckschicht müssen saniert werden, da sie sich ansonsten in die darunterliegenden Schichten ausweiten.
Die Sanierung tiefergehender Risse ist ungleich aufwendiger als die Sanierung oberflächennaher Risse.
Nichtsdestotrotz ist auch bei regelmäßiger Sanierung oberflächennaher Risse, eine grundhafte Sanierung der Fahrbahn nach einer gewissen Zeit unabdingbar.
Bei Fahrbahnen mit Längsnähten kann der Zeitraum zwischen zwei Fahrbahndeckensanierungen kürzer sein, da die Fahrbahn der Witterung durch die Längsnähte mehr Angriffspunkte liefert.
Wenn eine Fahrbahndeckensanierung unter halbseitiger Sperrung, anstatt unter Vollsperrung durchgeführt wird, kann dies demnach zu einem kürzeren Zeitraum zwischen zwei Fahrbahndeckensanierungen führen.
Kürzere Zeiträume zwischen Fahrbahndeckensanierungen stellen in der Gesamtanschauung eine höhere Belastung Dritter dar. Zudem führen kürzere Zeiträume zwischen Fahrbahndeckensanierungen zu höheren Unterhaltungskosten.
Angemessenheit
Die staatliche Maßnahme muss angemessen sein.
Das bedeutet, dass eine verkehrsrechtliche Anordnung nicht außer Verhältnis zum verfolgten Zweck sein darf.
Die Vorteile für die Allgemeinheit, welche in der Durchführung der Arbeiten im Straßenraum begründet sind, dürfen nicht außer Verhältnis zu den Nachteilen für den Einzelnen stehen.
Die Nachteile des Einzelnen werden auch als Individualinteressen bezeichnet.
Die Vorteile für die Allgemeinheit an der Einrichtung der Arbeitsstelle müssen gegenüber den Nachteilen für den Einzelnen überwiegen (Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 2 RSA 21).
Individualinteressen
Wie stellen sich die Nachteile für den Einzelnen dar?
Betroffene dürfen durch eine verkehrsrechtliche Anordnung nicht übermäßig oder unzumutbar belastet werden.
Fehlerfreie Ermessensausübung verlangt in erster Linie die Beachtung des § 45 Absatz 9 sowie die Interessenabwägung der durch den Verwaltungsakt Betroffenen.
Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 2 RSA 21
Wer ist von einer verkehrsrechtlichen Anordnung betroffen?
Die RSA 21 fordert, dass die Nutzungsinteressen der die Straße gemeingebräuchlich nutzenden Verkehrsteilnehmer in die Abwägung einfließen müssen (Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 2 RSA 21).
Daraus folgt, dass jeder, der eine Straße, die ganz oder teilweise zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum gesperrt wird, gemeingebräuchlich nutzt, von der betreffenden verkehrsrechtlichen Maßnahme betroffen ist.
Im Besonderen sind allerdings die Belange von Anliegern, wie an der Straße liegende Gewerbebetreibende, zu berücksichtigen (Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 3 RSA 21).
Bei einer Vollsperrung ist es beispielsweise möglich, dass Gewerbebetreibende zeitlich begrenzt, nicht mehr auf dem gleichen Weg direkt erreichbar sind. Dieser Weg ist oftmals gleichzeitig der schnellste Weg, wie der betreffende Gewerbebetreibende erreicht werden kann.
Einerseits kann es sein, dass ein Gewerbebetrieb während einer Vollsperrung nur noch über Umwege erreicht werden kann.
Andererseits ist es möglich, dass ein Gewerbebetrieb für die Dauer einer Vollsperrung gar nicht erreichbar ist.
Wirkt sich eine Arbeitsstelle auch auf Fußgänger aus, so sind die Bedürfnisse von behinderten Menschen zu berücksichtigen (Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 4 RSA 21).
Unter behinderte Menschen fallen beispielsweise Blinde, sehbehinderte Menschen, körperbehinderte Menschen, hörbehinderte Menschen und kleinwüchsige Menschen (Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 4 RSA 21).
Ausmaß einer Vollsperrung
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer verkehrsrechtlichen Maßnahme muss auch das Ausmaß der Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverbote berücksichtigt werden (Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 2 RSA 21).
Dies gilt für die Anordnung der verkehrssichernden Maßnahmen und die dadurch hervorgerufene Belastung Dritter sowie für das Maß der angeordneten Verkehrsbeschränkung oder des angeordneten Verkehrsverbotes.
Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 2 RSA 21
Sofern eine Vollsperrung zur Durchführung der Arbeiten im Straßenraum erforderlich ist, muss das Ausmaß der Vollsperrung festgelegt werden.
Dabei ist das Ausmaß der Vollsperrung auf das erforderliche Maß zu beschränken.
Bauzeit
Wenn Arbeiten im Straßenraum unter halbseitiger Sperrung, anstatt unter Vollsperrung durchgeführt werden, kann sich dies auf die Bauzeit auswirken.
Es kann sein, dass die Durchführung der Arbeiten im Straßenraum unter halbseitiger Sperrung mehr Zeit in Anspruch nimmt, als wenn die Arbeiten im Straßenraum unter Vollsperrung durchgeführt werden.
Bei größeren Baumaßnahmen, wie bei Fahrbahndeckensanierungen, kann das mit der Planung der Arbeitsstelle beauftragte Unternehmen eine Auskunft darüber geben, wie sich die Sperrmaßnahmen auf die Bauzeit auswirken.
In der Regel wird das mit der Planung der Arbeitsstelle beauftragte Unternehmen unter Berücksichtigung der Bauzeit vorangegangener vergleichbarer Maßnahmen eine Gegenüberstellung der voraussichtlichen Bauzeit bei Durchführung der Arbeiten im Straßenraum unter halbseitiger Sperrung und unter Vollsperrung aufstellen können.
Im Zuge der Durchführung der Arbeiten im Straßenraum unter halbseitiger Sperrung ist zwar das Maß der angeordneten Verkehrsbeschränkungen geringer, jedoch kann durch die gegebenenfalls längere Bauzeit die dadurch hervorgerufene zeitliche Belastung Dritter höher ausfallen.
Mit anderen Worten: Halbseitige Sperrungen anstatt von Vollsperrungen sind mit geringen Verkehrsbeschränkungen verbunden. Im Umkehrschluss können halbseitige Sperrungen durch die längere Bauzeit belastender für betroffene Anlieger sein.
Betroffene Anlieger können Anwohner oder Gewerbebetreibende im Bereich der Arbeitsstelle sein.
Feuerwehr und Rettungsdienste
Feuerwehrhäuser, Rettungswachen und Krankenhäuser müssen auch bei Vollsperrungen anfahrbar bleiben.
Des Weiteren sind die nach Landesrecht vorgegebenen Hilfsfristen für Rettungsdienste sowie die landesspezifischen und gemeindespezifischen Hilfsfristen zum Brandschutz einzuhalten.
Der Begriff der “Hilfsfrist” ist nicht eindeutig definiert. Feuerwehren und Rettungsdienste definieren die “Hilfsfrist” unterschiedlich.
Nach der vom Deutschen Institut für Normung herausgegebenen Norm “Feuerwehrwesen – Begriffe” umfasst die Hilfsfrist für Feuerwehren die Zeit zwischen Abgabe der Notrufmeldung und Eintreffen der Feuerwehr am Einsatzort (DIN 14011:2018-01).
Es ist allerdings festzustellen, dass anstelle des Begriffs der “Hilfsfrist” in vielen landesrechtlichen sowie gemeinderechtlichen Vorschriften andere Begriffe verwendet werden.
Vollsperrungen können dazu führen, dass die Feuerwehrhäuser, Rettungswachen oder Krankenhäuser, die normalerweise bestimmte Gebiete abdecken, diese Gebiete nicht mehr innerhalb der vorgesehenen Hilfsfristen erreichen können.
Können Feuerwehrhäuser, Rettungswachen oder Krankenhäuser bestimmte Gebiete nicht mehr innerhalb der vorgesehenen Hilfsfristen erreichen, können gegebenenfalls Feuerwehrhäuser, Rettungswachen oder Krankenhäuser benachbarter Gemeinden diese Gebiete während der Vollsperrung in den vorgesehenen Hilfsfristen erreichen.
Um dies mit der Feuerwehr, dem Rettungsdienst und den benachbarten Gemeinden abzustimmen, müssen die Feuerwehr, der Rettungsdienst und die benachbarten Gemeinden in den Planungsprozess von Vollsperrungen eingebunden werden.
Können die vorgesehenen Hilfsfristen nicht durch Feuerwehrhäuser, Rettungswachen oder Krankenhäuser benachbarter Gemeinden abgedeckt werden, so ist die betreffende Vollsperrung in mehreren Bauabschnitten durchzuführen.
Zwischenfazit
Die oben genannten Aspekte führen in der Praxis häufig dazu, dass eine verkehrsrechtliche Maßnahme bei größeren Arbeiten im Straßenraum, wie Fahrbahndeckensanierungen, unter Vollsperrung in zwei oder mehreren Bauabschnitten durchgeführt wird.
Kein Anspruch auf gleichbleibende Nutzung
Verkehrsteilnehmer, die eine Straße, auf der eine Arbeitsstelle eingerichtet ist, gemeingebräuchlich nutzen, haben allerdings keinen Anspruch auf gleichbleibende Nutzungsmöglichkeit der betreffenden Straße (Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 2 RSA 21).
Behinderungen des Verkehrsablaufes durch arbeitsstellenbedingte Zeitverluste müssen Verkehrsteilnehmer, die eine Straße, auf der eine Arbeitsstelle eingerichtet ist, gemeingebräuchlich nutzen hinnehmen, wenn diese verhältnismäßig sind (Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 2 RSA 21).
Auch Umwege müssen Verkehrsteilnehmer, die eine Straße, auf der eine Arbeitsstelle eingerichtet ist, gemeingebräuchlich nutzen hinnehmen, wenn diese verhältnismäßig sind (Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 2 RSA 21).
Verkehrsregelungspflicht
Zudem sind bei der Anordnung der verkehrssichernden Maßnahmen die Grundsätze der Verkehrsregelungspflicht zu beachten. Diese bedingen ein nach den örtlichen Verhältnissen des Einzelfalls gegebenes Erfordernis, den Verkehr zu lenken, umzuleiten, zu beschränken oder zu verbieten (Teil A Kapitel 1.3.3 Absatz 6 RSA 21).
Anhörung
Straßenbaubehörden müssen vor allen Straßenbauarbeiten im öffentlichen Straßenraum rechtzeitig – im Regelfall
mindestens zwei Wochen vor Beginn der Bauarbeiten – die Straßenverkehrsbehörden über deren Umfang und verkehrliche Auswirkungen sowie über die angeordneten verkehrlichen Maßnahmen unterrichten (Teil A Kapitel 1.3.1 Absatz 2 RSA 21).
Die Straßenverkehrsbehörde hat die Polizei rechtzeitig von den vorgesehenen Maßnahmen zu unterrichten (Teil A Kapitel 1.3.1 Absatz 2 RSA 21).
Straßenverkehrsbehörde und Straßenbaubehörde können vereinbaren, dass die Unterrichtung der Polizei von der Straßenbaubehörde übernommen wird (Teil A Kapitel 1.3.1 Absatz 2 RSA 21).
Vor jeder Anordnung von Arbeiten, die sich auf den Straßenverkehr auswirken, ist die Polizei zu hören (VwV-StVO zu § 45 Absatz 6).
Information an Dritte
Nach den Richtlinien für die verkehrsrechtliche Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen Ausgabe 2021 (RSA 21) sollte die Öffentlichkeit rechtzeitig über geplante Arbeitsstellen informiert werden (Teil A Kapitel 1.2 Absatz 7 RSA 21).
Dabei sollte die Öffentlichkeit über absehbare Verkehrsbeeinträchtigungen, mögliche Umleitungsstrecken und mögliche Ausweichstrecken in geeigneter Weise informiert werden (Teil A Kapitel 1.2 Absatz 7 RSA 21).
Was unter “in geeigneter Weise” zu verstehen ist wird weder in der RSA 21 noch in anderen Vorschriften näher erläutert.
Vollsperrungen werden häufig über das Gemeindeblatt, das Amtsblatt, über Zeitungen, Informationsveranstaltungen oder Pressemitteilungen angekündigt.
Betroffene Anlieger, insbesondere Gewerbebetreibende, werden üblicherweise über elektronische Post, schriftliche Post oder über Postwurfsendungen über eine geplante Vollsperrung informiert.
Fazit
Obwohl Verkehrsteilnehmer keinen Anspruch auf gleichbleibende Nutzungsmöglichkeit einer betreffenden Straße haben, haben sie nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Einrichtung von Arbeitsstellen einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessenausübung.
Vollsperrungen verfolgen in der Regel einen legitimen Zweck und sind geeignet den verfolgten Zweck zu erreichen.
Daneben müssen Vollsperrung jedoch auch erforderlich und angemessen sein. Erforderlich sind Vollsperrungen dann, wenn zur Erreichung des Ziels kein anderes gleichgeeignetes milderes Mittel zur Verfügung steht.
Angemessen ist eine Vollsperrung, wenn nach Abwägung aller Interessen Betroffene durch die Vollsperrung nicht übermäßig oder unzumutbar belastet werden.
Arbeitsstellenbedingte Zeitverluste und Umwege müssen Verkehrsteilnehmer, die eine Straße, auf der eine Arbeitsstelle eingerichtet ist, gemeingebräuchlich nutzen hinnehmen, wenn diese verhältnismäßig sind.
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